Wehrbeauftragte Högl: Landesverteidigung statt Amtshilfe im Inland

Berlin (epd). Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), sieht den Zeitpunkt gekommen, dass die Bundeswehr sich auf ihren Kernauftrag, die Landes- und Bündnisverteidigung, konzentrieren muss. Högl sagte bei der Vorstellung ihres Jahresberichts am Dienstag in Berlin, die Amtshilfe, die die Soldatinnen und Soldaten im Inland geleistet hätten und noch leisteten, „muss jetzt enden“. Die Versorgung und Betreuung der Flüchtlinge aus der Ukraine müssten allein zivile Kräfte übernehmen, erklärte Högl.

Die Amtshilfe in der Corona-Pandemie und nach der Hochwasser-Katastrophe im vorigen Sommer habe einerseits zu einem engeren und positiven Kontakt zwischen der Bundeswehr und der Bevölkerung geführt, sagte Högl. Soldatinnen und Soldaten hätten Grandioses geleistet und seien zu Recht beliebt bei den Stellen, wo sie unterstützend tätig waren. Im Jahr 2021 habe die Bundeswehr zu Spitzenzeiten 19.000 Soldaten gleichzeitig abgestellt. Derzeit arbeiteten in den Gesundheitsämtern immer noch 2.500 Bundeswehrangehörige. Doch die Unterstützung der Behörden im Inland beschäftige und belaste die Truppe auch, sagte Högl. Zwar stelle die Amtshilfe die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr nicht infrage, „aber sie ist deutlich verzögert“.

Högl begrüßte die zusätzliche Bereitstellung von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr und die Erhöhung des Verteidigungshaushaltes. Regierung und Parlament müssten nun dafür sorgen, dass das Geld zügig bei der Truppe ankomme und zunächst in eine bessere Ausstattung der Soldatinnen und Soldaten investiert werde. Es könne nicht sein, dass Soldaten Ausrüstungsgegenstände wie Winterjacken oder Schutzwesten in Einsätze im Ausland nachgeschickt werden müssten, kritisierte Högl.

Zum Umgang der Bundeswehr mit extremistischen Vorfällen äußerte sich die Wehrbeauftragte verhalten optimistisch. Dass die Zahl der Verdachtsfälle auf Rechtsextremismus gegenüber den Vorjahren im Jahr 2021 erneut gestiegen ist, wertete die Wehrbeauftragte als Zeichen, dass die Bundeswehr inzwischen sensibilisiert sei. Högl zufolge wurden aus der Bundeswehr selbst heraus im vergangenen Jahr 252 Verdachtsfälle von Rechtsextremismus gemeldet, gegenüber 229 Fällen im Jahr 2020. Das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst bearbeitete insgesamt 589 Fälle, im Vorjahr waren es 477. Högl bescheinigte der Bundeswehr, zügiger aufzuklären, rote Linien aufzuzeigen und Verstöße klar zu sanktionieren.

2017 waren Anschlagspläne des Oberleutnants Franco A. bekanntgeworden, in den Folgejahren antisemitische und rechtsextremistische Vorfälle beim Kommando Spezialkräfte, bei einem Bataillon in Litauen und im Wachbataillon. Das Thema Rechtsextremismus bleibe eine Herausforderung für die Truppe, betonte Högl. Sie kritisierte aber die lange Dauer vieler Verfahren als „echtes Ärgernis“ und verlangte mehr Tempo, auch bei der Entlassung von Bundeswehrangehörigen nach rechtsextremistischen Aktivitäten.

Zum Thema Minderjährige bemängelte Högl einen deutlichen Aufwärtstrend im vergangenen Jahr. 2021 wurden 1.239 17-Jährige eingestellt, knapp acht Prozent mehr als im Vorjahr. Die Einstellung Minderjähriger müsse aufgrund ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit die Ausnahme bleiben. Das Bündnis „Unter 18 Nie!“ kritisierte den Trend und verwies auf die erhöhte Abbrecherquote von einem Fünftel (21 Prozent) unter den Minderjährigen in den ersten sechs Monaten. Das sei eine „Lose-Lose-Situation, unter der Minderjährige leiden und von der auch die Bundeswehr nichts hat“, erklärte der Sprecher des Bündnisses Ralf Willinger, in dem sich Friedensinitiativen, Kinderrechtsorganisationen, Kirchen und Gewerkschaften zusammengeschlossen haben.