Viele Waffen, wenig Hoffnung

Genf/Juba (epd). Mit einer Umarmung besiegelten Südsudans Präsident Salva Kiir und sein ewiger Widersacher Riek Machar vor zwei Wochen den Frieden - wieder einmal. Seit der Unabhängigkeit des Landes 2011 haben die mächtigen Anführer der beiden größten Ethnien in dem ostafrikanischen Land immer wieder versprochen zusammenzuarbeiten. Stattdessen führten sie die vergangenen sechs Jahre Krieg. Schätzungen zufolge starben 400.000 Menschen, knapp vier Millionen sind auf der Flucht, ein Drittel der gesamten Bevölkerung. Ob der Frieden diesmal hält, ist ungewiss. Neben Armut, Hunger und Krankheiten birgt das Militär das größte Konfliktpotenzial.

Zwar hat der im Juni 2019 vereinbarte Waffenstillstand bisher größtenteils gehalten. Doch der im Friedensvertrag vereinbarte Aufbau einer Armee, der Soldaten und Rebellen angehören sollen, ist eine Herkulesaufgabe. Schließlich habe es selbst im Krieg um die Unabhängigkeit vom Sudan keine gemeinsame südsudanesische Armee gegeben, sagt Ferenc Markó von der Organisation "Small Arms Survey". Allenfalls der Aufbau gemeinsamer Kommandostrukturen wäre denkbar, wenn beide Seiten es ernst meinten. Aber eine Armee, in der ethnische Herkunft keine Rolle spiele, sei kurzfristig nicht denkbar.

Die Entmilitarisierung hat bereits begonnen. Doch selbst Markó fällt es schwer zu sagen, wie viele Soldaten es im Südsudan exakt gibt. Nach offiziellen Angaben beider Seiten stehen 83.000 Männer unter Waffen, je zur Hälfte Rebellen und Soldaten. Doch viele davon haben womöglich nie gekämpft und dürften sich nur registriert haben, um von Zahlungen und Schulungen zu profitieren. Zudem hat sich seit 2016 die Zahl der Splittergruppen erhöht, die den Friedensvertrag nicht unterzeichnet haben. Vor allem die Grenzregionen zum Kongo und zu Äthiopien kontrollieren diese Kriegsfürsten derzeit noch fast mühelos.

"Und dann gibt es bei der Demilitarisierung erhebliche Probleme und Verzögerungen, wegen logistischer Hürden, und weil das Geld fehlt", erklärt Markó. "Es bräuchte Hunderte Millionen Euro, um eine gemeinsame Armee aufzubauen." Woher die kommen sollen, ist unklar. Die Staatskassen sind leer, die als hochgradig korrupt verschriene Regierung verkauft bereits Optionen auf Öl, das erst in der Zukunft gefördert werden soll. Dass Präsident Kiir zuletzt weder die Armee noch seine Patronagenetzwerke bezahlen konnte, dürfte einer der Gründe dafür sein, dass er bei den Friedensverhandlungen weitreichende Kompromisse machte.

Die Lage in den Camps, wo Rebellen und Soldaten mit Unterstützung der UN-Mission im Südsudan (UNMISS) zu neuen Einheiten verschmolzen werden sollen, ist prekär. Christopher Muchiri Murenga, der das für die Stadt Maridi zuständige UNMISS-Büro leitet, sagte nach dem Besuch eines Militärlagers: "Es gibt nicht einmal ordentliche Unterkünfte, jeder muss sich erst mal eine eigene Lehmhütte bauen." In den Hütten sei es kalt, deshalb erkrankten viele Rekruten an Lungenentzündung. 

Immerhin gibt es in Maridi offenbar genug zu essen. Aus anderen Lagern hieß es zuletzt, Rekruten seien verhungert, weil die von der Regierung versprochenen Lebensmittel nie eingetroffen seien. Ferenc Markó von der "Small Arms Survey" bestätigt solche Berichte. "Im Oktober habe ich Akobo besucht, eine der letzten großen Städte, die noch unter Kontrolle der Rebellen sind - und dort hat mir der lokale Kommandeur berichtet, dass seine Männer verhungern."

Hungrige und bewaffnete Männer, von denen viele nichts als Krieg kennen, könnten dem Frieden schnell ein Ende setzen. Nach Schätzungen der "Small Arms Survey" besitzt jeder zehnte Südsudanese eine Waffe. Für die Zukunft verheißt das nichts Gutes.

UNMISS mit seinen 7.000 Soldaten, davon aktuell 14 von der Bundeswehr, ist mit dem Auftrag, den Frieden im Land zu sichern, extrem gefordert. Gerade in entlegenen Regionen wird aus unterschiedlichsten Gründen zu den Waffen gegriffen. So kämpfen Viehtreiber mit Kalaschnikows um rare Weidegründe. Versuche von UNMISS, zwischen den Gruppen zu vermitteln, enden oft ohne Erfolg. 

Diese Konflikte sind schwer zu überblicken und einzuschätzen. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz befürchtet gar, dass wegen solcher Kämpfe die Zahl der Toten aktuell noch höher liegen könnte als im Bürgerkrieg 2016. Zwar könnte eine geeinte Armee womöglich dazu beitragen, den Frieden im ganzen Land zu sichern. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.