Taliban warnen vor weiteren IS-Anschlägen am Flughafen von Kabul

Frankfurt a.M./Kabul (epd). Die Taliban haben vor neuen Anschlägen der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) auf den Flughafen von Kabul gewarnt. Wie der arabische Sender Al-Dschasira am Sonntag berichtete, schätzen die Islamisten die Gefahr als sehr hoch ein. Die US-Botschaft in Kabul wies am Samstag ihre Bürger an, die Gegend um den Flughafen umgehend zu verlassen, da mit weiteren Attentaten zu rechnen sei. Evakuierungsflüge westlicher Staaten aus Kabul wurden am Wochenende eingestellt. Außenminister Heiko Maas (SPD) brach am Sonntag zu einer Reise in die Türkei, nach Usbekistan, Tadschikistan, Pakistan und Katar auf.

Er wolle mit der Reise deutlich machen, dass Deutschlands Mission nicht mit dem Abschluss der militärischen Evakuierungsmisson ende, erklärte Maas auf Twitter. Vor Ort hofften weiterhin unzählige Menschen auf Ausreise, und die Lage in Afghanistan sei extrem unbeständig und gefährlich. Deutschland wolle sich mit den Nachbarstaaten Afghanistans darüber verständigen, wie Deutsche, Ortskräfte und weitere schutzbedürftige Afghaninnen und Afghanen schnell und sicher nach Deutschland gelangen könnten.

Die Bundeswehr hatte zuvor ihren Evakuierungseinsatz in Afghanistan beendet. 5.347 Menschen, darunter mehr als 4.000 Afghaninnen und Afghanen und rund 500 Deutsche wurden seit dem 16. August von der Luftwaffe ausgeflogen. Die letzten Maschinen mit Bundeswehrsoldaten landeten am Freitagabend auf dem Luftwaffenstützpunkt Wunstorf bei Hannover. Das Auswärtige Amt schätzt, dass noch mehr als 10.000 Menschen im Land zurückgeblieben sind, die eine Aufnahmegarantie von Deutschland haben, darunter 300 Deutsche.

Bei einem Selbstmordanschlag des IS am Donnerstag auf ein Tor des Flughafens waren mehr als 180 Menschen ums Leben gekommen, darunter auch 13 US-Soldaten. Evakuierungsflüge aus Kabul wurden am Wochenende eingestellt. Hunderte Familien, die tagelang vergeblich vor dem Flughafen auf eine Chance gewartet hatten, Afghanistan zu verlassen, blieben zurück. Die Taliban übernahmen die Kontrolle über den Zugang zum Flughafen.

Der Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, Markus N. Beeko, forderte weitere Rettungsflüge aus der Region um Afghanistan und leichtere Visa-Vergaben. „Wir erwarten, dass die Bundesregierung und andere Staaten die teils schwer traumatisierten evakuierten Menschen jetzt weiterhin zügig aus der Region ausfliegen“, sagte er der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Samstag). Dabei müsse darauf geachtet werden, dass Familien nicht auseinandergerissen werden. Hier sei ein unbürokratisches Vorgehen gefragt.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR fordert von der Bundesregierung Erleichterungen bei den Asylverfahren und beim Familiennachzug für afghanische Flüchtlinge. Wenn man mehr als ein Jahr auf einen Termin bei der Deutschen Botschaft warten müsse, verkenne das die Lebensrealität von Flüchtlingen, sagte die UNHCR-Vertreterin in Deutschland, Katharina Lumpp, der „Augsburger Allgemeinen“ (Montag). Diejenigen, die sich in Gefahr befinden, sollten die Möglichkeit haben, Asyl zu suchen und Zugang zu Schutz zu haben, sagte Lumpp.

„Das betrifft aber nicht Europa, sondern zunächst die Nachbarländer, in denen schon seit Jahrzehnten 90 Prozent aller afghanischen Flüchtlinge leben“, sagte Lumpp. Die UNHCR-Vertreterin zeigte sich zudem besorgt über die Lage der Binnenvertriebenen in Afghanistan. Insgesamt seien derzeit über dreieinhalb Millionen Menschen als Binnenvertriebene im Land auf humanitäre Hilfe angewiesen.