Rheinischer Präses für klare Kante gegen Rechtspopulismus

Düsseldorf (epd). In der Auseinandersetzung mit den Programmen und Funktionären rechtspopulistischer Parteien kann es nach Ansicht des rheinischen Präses Manfred Rekowski "vielfach nur klare Kante geben, weil wir einen völligen Dissens haben". Anders verhalte es sich mit Sympathisanten und potenziellen Wählern etwa der AfD, meint der leitende Theologe der Evangelischen Kirche im Rheinland: "Deshalb bin ich sehr daran interessiert, noch besser zu verstehen, was der Resonanzboden für die rechtspopulistische Haltung in Teilen der Bevölkerung ist", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Düsseldorf.

epd: In Deutschland wird über den Umgang mit Flüchtlingen gestritten, der Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin nährt die Terrorangst und Rechtspopulisten erhalten viel Zulauf. Droht uns eine ähnliche Spaltung und Zerrissenheit, wie sie beispielsweise in den USA zu beobachten ist?

Rekowski: Die Situation ist durchaus heikel. Eine Bertelsmann-Studie hat kürzlich gezeigt, dass viele Deutsche verunsichert sind und negative Folgen der Globalisierung für sich selbst befürchten. Sie fragen sich auch, wo die Taktgeber sitzen: in Berlin, Brüssel oder irgendwo in unserem Wirtschaftssystem? Diese Haltung als "postfaktisch" abzutun, hilft nicht weiter. Wichtig ist vor allem das Präfaktische: Wir müssen bereits den Befürchtungen der Menschen begegnen, eine bestimmte Entwicklung könnte sich negativ für sie auswirken. Wir müssen die Themen aufgreifen, die die Menschen wirklich bewegen, zum Beispiel die Frage sozialer Gerechtigkeit. Zu Beginn des Wahljahres 2017 dringen wir als Kirche und Diakonie darauf, dass solche Themen in den Fokus gerückt werden. Wir brauchen eine neue Form des Dialogs darüber.

epd: Funktioniert denn ein solcher Dialog noch, wenn teilweise auf Gefühle statt Argumente gesetzt wird und sich gezielte Lügen und Fake News auszuzahlen scheinen?

Rekowski: Ich kenne keine Alternative zum Dialog. Auch unsere Aufgabe als Kirche sehe ich darin, Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen. Flüchtlinge werden ja in unserer Gesellschaft überwiegend als Problem angesehen, das man kaum bewältigen könne. Bei einem Treffen von 500 ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern in der rheinischen Kirche haben dagegen kürzlich Menschen sehr konkret erzählt, was in ihrem Umgang mit Flüchtlingen gelungen ist, was schwerfällt und wo Herausforderungen liegen.

epd: Müsste der Staat für mehr Verständigung sorgen?

Rekowski: Im Moment erleben wir leider, dass Menschen den Staat häufig als nicht handlungsfähig erleben - etwa in Bezug auf die soziale Infrastruktur, das Gesundheitssystem oder die Inklusion. Wenn Bürger ihren Staat untätig erleben oder für überfordert halten, ist aber die Loyalität zum Gemeinwesen und zu den tragenden Institutionen der Gesellschaft gefährdet. Es sorgt für Verdruss, wenn Politiker Versprechen geben und nicht einlösen oder wenn Menschen das Gefühl haben, dass ihnen etwas genommen und anderen dafür etwas gegeben wird. Politik und alle gesellschaftlich relevanten Köpfe müssen so handeln, dass deutlich wird: Wir bemühen uns und kümmern uns wirklich um solche Sorgen und Nöte und damit um einen Kern unseres Gemeinwesens. Sonst wird den Bürgern der fatale Eindruck vermittelt, dass die Entscheidungsträger ihre Welt nicht mehr kennen und sie nicht verstehen.

epd: Wenn Sie für Dialog plädieren: Wo endet der Dialog mit Rechtspopulisten wie der AfD?

Rekowski: Im Blick auf die inhaltlichen Positionen rechtspopulistischer Parteien und ihrer Repräsentanten kann es vielfach nur klare Kante geben, weil wir einen völligen Dissens haben. Etwa wenn es im AfD-Parteiprogramm heißt, dass sich die deutsche Leitkultur aus der religiösen Überlieferung des Christentums speise. Hier wird auf abstruse Weise versucht, die eigene Ideologie christlich zu begründen. Diese besteht aus einer Mischung von völkischem, nationalem Denken und dem, was man für abendländische Kultur hält, bis hin zum konservativen Familienbild der 50er Jahre. Im Widerspruch dazu steht das biblische Menschenbild, nach dem jeder Mensch ein Ebenbild Gottes ist, natürlich auch der Flüchtling. Der Satz "Die Würde des Menschen ist unantastbar" in unserem Grundgesetz knüpft an dieses jüdisch-christliche Menschenbild an. Es heißt wohlweislich nicht "Die Würde des Deutschen ist unantastbar".

Wir müssen aber unterscheiden zwischen dem Programm und den Funktionären der AfD auf der einen und deren Sympathisanten und potenziellen Wählern auf der anderen Seite. Ich glaube nicht, dass alle, die AfD wählen, rechtsextrem eingestellt sind. Deshalb bin ich sehr daran interessiert, noch besser zu verstehen, was der Resonanzboden für die rechtspopulistische Haltung in Teilen der Bevölkerung ist. Wir müssen uns mit diesen Menschen auseinandersetzen, die es ja auch bei uns in der Kirche gibt. 

epd: Müssen Sie bei dieser Unterscheidung nicht auch klare Kante zeigen gegenüber dem pensionierten Pfarrer Axel Bähren aus Kleve und dem Wuppertaler Presbyter Hartmut Beucker, die bei der NRW-Landtagswahl im Mai ein Mandat für die AfD erringen wollen?

Rekowski: Wenn es um die Frage geht, ob Menschen in unserer Kirche weiter mitarbeiten können, müssen wir jeden Einzelfall prüfen. Für einen pensionierten Pfarrer gelten beispielsweise die dienstrechtlichen Regelungen der Landeskirche. Wenn sie für eine Partei kandidieren, müssen sie uns dies mitteilen. Sie sind zudem durch ihr Ordinationsgelübde verpflichtet, sich an die biblische Botschaft zu halten. Bei Äußerungen oder Handlungen, die die in deutlichem Widerspruch zur christlichen Botschaft stehen, grenzen wir uns konsequent ab. Im Blick auf den pensionierten Pfarrer, der als AfD-Kandidat antritt, hatten wir durchaus Gesprächsbedarf und haben ihm in aller Deutlichkeit das Nötige mitgeteilt.

Im Jahr 2014 haben wir einmal im Fall einer Presbyterin in Leverkusen entschieden, dass sie ihr kirchliches Amt aufgeben muss. Sie hatte für die Partei "Pro NRW" kandidiert, die vom Verfassungsschutz beobachtet und als rechtsextremistisch eingestuft wird. Auch das Parteiprogramm enthielt eindeutig extremistische Aussagen. Auch hier handelte es sich um eine Einzelfallentscheidung.

epd: Wie christlich sind andere Parteien, die sich selbst so bezeichnen?

Rekowski: Niemand ist in unserem Land gezwungen, sich auf den christlichen Glauben zu beziehen. Wer sich aber auf den christlichen Glauben beruft, muss sich auch daran messen lassen. Das gilt insbesondere für Parteien, die das "C" in ihrem Namen tragen. Im Wahljahr werden wir das im Blick auf die verschiedenen Themen auch deutlich ansprechen.