Mit Imamen gegen Salafisten

Frankfurt a.M. (epd). Die ersten Rückkehrer aus dem "Islamischen Staat" (IS) in Syrien und Irak sind in Deutschland zu Haftstrafen verurteilt worden. Die Rückkehrer gälten im Gefängnis für viele muslimische Häftlinge als Helden, sagte der Imam und Seelsorger in der JVA Wiesbaden, Husamuddin Meyer, am Dienstag in Frankfurt am Main. Ihre Argumente hätten Gewicht. Extremisten könnten Häftlinge leicht zu Gewalttaten manipulieren. Denn Kriminelle könnten ihre Gewalttätigkeit dann sakralisieren. Meyer sprach der Justizvollzugsanstalt (JVA) I in Frankfurt am Main auf einem von dem Mediendienst Integration organisierten Pressetag.

Die meisten muslimischen Insassen hätten einen geringen Bildungsgrad und wüssten nur wenig über den Islam, berichtete Meyer. So sei er schon von Häftlingen gefragt worden, ob jemand getötet werden müsse, der nicht bete, oder ob Terrorismus im Islam erlaubt sei. Ein Seelsorger könne eine islamische Gegenmeinung zu Extremisten glaubhaft begründen, sagte Meyer, der Islamwissenschaft und Ethnologie studiert hat. Er mache Häftlinge darauf aufmerksam, dass alles von Gott komme, auch die Probleme und die Haft. Es sei die Aufgabe des Gläubigen, sich damit auseinanderzusetzen. So zeige er neue religiöse Perspektiven auf und rege zum Nachdenken über sich selbst an.

Hessen legt Wert auf die Mithilfe islamischer Seelsorger bei der Deradikalisierung von Häftlingen beziehungsweise bei der Vorbeugung vor Radikalisierung. Das Bundesland sieht sich darin als Vorreiter. Alle 16 Gefängnisse in Hessen böten islamische Seelsorge an, sagte die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU). Das Land habe die Mittel für muslimische Seelsorger von 50.000 Euro im Jahr 2016 auf 300.000 in diesem Jahr erhöht, dazu kämen 400.000 Euro für weitere Deradikalisierungs-Maßnahmen. 

Das Land Hessen beschäftige inzwischen zwölf Imame als Honorarkräfte für die Seelsorge in Gefängnissen, erläuterte die Leiterin der Stabsstelle zur Deradikalisierung im Justizministerium (Nedis), Clementine Englert. Die Imame würden nicht von Islamverbänden gestellt, sondern das Ministerium suche sie aus. Die Seelsorger wiesen einen Universitätsabschluss und eine Zusatzausbildung für die Seelsorge vor. Sie würden sicherheitsüberprüft und bildeten sich regelmäßig fort. Um die Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften aufrechtzuerhalten, würden die Seelsorger nicht fest angestellt. Die islamischen Theologen böten in allen Gefängnissen das Freitagsgebet an und stünden für persönliche Gespräche zur Verfügung.

Die islamischen Seelsorger sind Teil des hessischen "Netzwerks zur Deradikalisierung im Strafvollzug", das im Justizministerium angesiedelt ist. Ein weiterer Baustein sind die sogenannten Strukturbeobachter in den Gefängnissen. Diese speziellen Justizvollzugsbeamten beobachten die Häftlinge und versuchen Radikalisierungen zu erkennen. Stefan Schürmann in der Frankfurter JVA I erläuterte, er achte auf Kleidung, Symbole, Gepäck bei der Einweisung und auf die Änderung von Verhaltensweisen. In der JVA I, der größten Untersuchungshaftanstalt Hessens, habe er eine niedrige zweistellige Zahl von Häftlingen im Auge. Bei Bedarf schalte er Berater ein, ordne ein Anti-Aggressionstraining an oder nehme einzelne Gefangene aus der Gruppe heraus.

Auch die Mitarbeiter des Vereins "Violence Prevention Network" (VPN) kümmern sich um Salafisten. Derzeit betreuten die Mitarbeiter 16 Personen im Hessen, sagte der Projektkoordinator Cuma Ülger. Das Ziel der Einzel- und Gruppengespräche sei, eine Selbstreflexion und Mündigkeit der Klienten zu erreichen. Die Mitarbeiter würden mit religiösen und theologischen Fragen konfrontiert, etwa, ob man in die Hölle komme, wenn man gegen den Treueschwur zum IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi verstoße. VPN wolle zum Ausstieg aus dem Extremismus anregen und betreue auch Gefangene nach ihrer Haftentlassung weiter. Hessen sei Vorbild in der Arbeit gegen Extremismus, bestätigte Ülger.