Kontroversen zu Krieg und Klima beim Kirchentag

Wie ist Frieden in der Ukraine zu erreichen? Wie die Klimakatastrophe noch abzuwenden? Der evangelische Kirchentag hat am Freitag über die drängenden Krisen der Zeit debattiert.

Nürnberg (epd). Der Krieg in der Ukraine und das Ringen um gesellschaftlichen Zusammenhalt beim Klimaschutz haben am Freitag die Diskussionen auf dem evangelischen Kirchentag in Nürnberg geprägt. Die Debatten waren kontrovers: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) lieferte sich einen Schlagabtausch mit der Klimaaktivistin Carla Hinrichs von der „Letzten Generation“. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, traf auf den Friedensbeauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Friedrich Kramer, der die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnt.

Der 38. Deutsche Evangelische Kirchentag mit rund 2.000 Veranstaltungen an fünf Tagen in Nürnberg und Fürth geht am Sonntag zu Ende. Für Samstag werden Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erwartet.

Vizekanzler Habeck wiederholte seine Kritik an den Verkehrsblockaden der „Letzten Generation“. „Dieser Protest verhindert eine Mehrheit für Klimaschutz und treibt die Leute weg“, sagte Habeck. Die Aktionen seien unspezifisch, träfen alle und damit „in Wahrheit niemanden“, sagte er. „Damit verpufft er und macht Leute nur zornig und ärgerlich“, sagte der Grünen-Politiker.

Hinrichs hielt Habeck entgegen: „Seit wann bewertet die Regierung den Protest gegen sich selber als richtig oder falsch?“ Ihre Bewegung habe sich zur Aufgabe gemacht, „Feueralarm“ zu sein wie bei einem Hochhaus, das im Keller brennt. Der Alarm sei laut und nervig, aber niemand würde im Nachhinein sagen, dass er falsch gewesen sei, sagte Hinrichs. Vertreterinnen und Vertreter der „Letzten Generation“ hatten am Freitagvormittag auch eine Stunde lang den Straßenverkehr am Hauptbahnhof in Nürnberg blockiert.

Habeck und Hinrichs ernteten für ihre Positionen viel Applaus in der voll besetzten Messehalle, die rund 4.500 Menschen fasst. Hinrichs bekam für ihr Eingangsstatement sogar stehende Ovationen. Vertreter der „Letzten Generation“ hatten bereits Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) getroffen, allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Habeck war das erste Regierungsmitglied, das öffentlich mit einer Vertreterin der Organisation diskutierte.

Vertreter von Bundeswehr, Bundesregierung und evangelischer Kirche stritten am Freitagnachmittag bei dem Protestantentreffen zudem über die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine. Der Staatssekretär im für Rüstungsexporte zuständigen Bundeswirtschaftsministerium, Sven Giegold (Grüne), sagte, keine Waffen zu liefern, hieße, anderen die Sicherung der nach dem Zweiten Weltkrieg etablierten Friedensordnung zu überlassen. „Wir als Christinnen und Christen sind verpflichtet, auf eine Kultur der Gewaltlosigkeit hinzuwirken“, sagte Giegold, der auch Mitglied im Kirchentagspräsidium ist. Im konkreten Fall sei es aber richtig, die Opfer zu unterstützen.

Giegold erhielt in der voll besetzten Messehalle mit 5.000 Plätzen vom Kirchentagspublikum deutlich stärkeren Applaus als der EKD-Friedensbeauftragte Kramer, der seine Ablehnung der Waffenlieferungen mit dem Aufruf Jesu zu Gewaltlosigkeit, aber auch mit der deutschen Geschichte begründete. Die Ukraine verteidige sich „völlig zu Recht“, Deutschland habe aber aufgrund seiner Geschichte auch eine „Blutschuld“ gegenüber Russland.

Kramers Position ist auch innerhalb der evangelischen Kirche umstritten. Die badische Bischöfin Heike Springhart erinnerte auf dem Podium daran, dass auch der Zweite Weltkrieg durch militärische Hilfe beendet wurde. Er „wäre nicht am Verhandlungstisch zu Ende gegangen“, sagte sie.

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Breuer, sagte, wenn die westlichen Staaten nicht mit Waffenlieferungen unterstützt hätten, „wäre der Krieg vermutlich zu Ende“. Die Ukraine gäbe es dann aber nicht mehr, und die Menschen wären unter dem Joch Russlands. „Der Krieg wäre vorbei, das Leiden für die Menschen ginge weiter“, sagte Breuer, der ebenfalls die Waffenlieferungen verteidigte.