Käßmann: Schweitzers Ethik wehrt Fremdenfeindlichkeit ab

Frankfurt a.M. (epd). Die evangelische Theologin Margot Käßmann hat die Aktualität der Ethik des Friedensnobelpreisträgers Albert Schweitzer (1875-1965) hervorgehoben. Die "Ehrfurcht vor dem Leben" sei eine gute Abwehr gegen Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus, sagte die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland am Dienstag in der Frankfurter Paulskirche. Anlass war der Festakt zum 50-jährigen Bestehen des Deutschen Albert-Schweitzer-Zentrums.

Der zentrale Satz von Schweitzers Ethik laute: "Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will", sagte Käßmann. Eine solche Haltung widersetze sich Aussagen wie der des AfD-Bundesvorsitzenden Alexander Gauland, der Nationalsozialismus sei ein "Vogelschiss" in der deutschen Geschichte, oder des CDU-Vorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, der im Zusammenhang mit Asylanträgen von "Asyltourismus" sprach. Aus Schweitzers Ethik folge nicht eine Sprache der Provokation, Abgrenzung und Konfrontation, sondern eine Haltung der Achtsamkeit, betonte Käßmann.

Die Theologin plädierte dafür, "die ungeheure Integrationsleistung Deutschlands" von Millionen deutscher und deutschstämmiger Flüchtlinge nach 1945, von Gastarbeitern und ihren Familienangehörigen sowie von Flüchtlingen aus Diktaturen zu feiern. Die Burka gehöre nicht zu Deutschland, aber auch "Springerstiefel und grölende Glatzköpfe" gehörten nicht dazu. "Sie sind nicht integriert in ein freies, tolerantes und demokratisches Land." Schweitzers Ethik rege die Einzelnen nicht nur an, eine Haltung gegen Fremdenfeindlichkeit einzunehmen. Diese müssten auch die Politiker auffordern, rigoros gegen Fremdenhass, Antisemitismus und Antiislamismus vorzugehen. 

Das Deutsche Albert-Schweitzer-Zentrum verlieh dem Musiker und Autor Konstantin Wecker auf der Feier die Albert-Schweitzer-Medaille. Wecker habe sich seit mehr als 40 Jahren in seinem künstlerischen Schaffen "ganz im Sinne von Albert Schweitzers Ethik für Abrüstung, Frieden und grenzenlose Menschlichkeit in herausragender Weise engagiert", begründete das Zentrum die Wahl. Der Neurobiologe Gerald Hüther nannte den Künstler in seiner Laudatio einen Suchenden, "der mit wachem Verstand und klaren Worten sagt und besingt, was das Menschliche in uns ausmacht, wie zerbrechlich es ist, wie sehr und von wem es bedroht wird". Verstand und Gefühl seien für den 72-Jährigen gleichermaßen bedeutsam.   

Das Deutsche Albert-Schweitzer-Zentrum pflegt nach eigenen Angaben die Erinnerung an den elsässischen Urwaldarzt, evangelischen Theologen und Organisten. Im Zentrum von Schweitzers geistigem Erbe stehe die Ethik der "Ehrfurcht vor dem Leben". Sein Engagement gegen Atomwaffenversuche sei im Blick auf die Aufkündigung der Atomwaffenkontrollverträge hochaktuell, bekräftigte das Zentrum. Angesichts ethnisch-religiöser Konflikte, der Infragestellung elementarer humanitärer Werte und der fortschreitenden Zerstörung der Lebensgrundlagen sei Schweitzers Lebensethik für die Zukunft der Menschheit existenziell.

Das Albert-Schweitzer-Zentrum umfasst ein Museum, eine Bibliothek und ein Archiv und dient gleichzeitig als Geschäftsstelle für den Deutschen Hilfsverein für das Albert-Schweitzer-Spital in Lambarene e.V. Dieser Verein ist Träger des Zentrums. Das Jubiläumsjahr wird mit Thementagen, Filmvorführungen, Schulveranstaltungen, Orgelkonzerten und Gottesdiensten begangen.