Israel und Palästina: "Wir teilen das gleiche Leid"

Die Nürnberger Fotografin Laurence Grangien zeigt in einer Ausstellung Porträts von Frauen. Sie alle haben im Nahost-Konflikt Angehörige verloren. Die Bilder haben nach dem Terrorakt vom Oktober dramatische Aktualität bekommen.

Nürnberg (epd). Die Idee hat die Nürnberger Fotografin Laurence Grangien fasziniert. Die israelisch-palästinensische Organisation „Parents Circle - Families Forum“ (PCFF) bringt Israelis und Palästinenser zusammen, die durch den jahrzehntealten Konflikt im Nahen Osten ein Familienmitglied verloren haben. „Ich will diesen Menschen ein Gesicht geben“, sagt die gebürtige Französin.

Mit diesem Vorsatz reiste Grangien vor knapp einem Jahr, rund ein halbes Jahr vor dem Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel, zu einigen betroffenen Frauen der Selbsthilfegruppe. Ihre Arbeiten sind nun in der Fotoausstellung „Parents Circle - für Versöhnung im Heiligen Land“ (15. April bis 15. Mai 2024) im Nürnberger Heilig-Geist-Haus zu sehen.

Grangien porträtiert beispielsweise die Israelin Tal Kfir Schurr, die vor 21 Jahren bei einem palästinensischen Attentat ihre jüngere Schwester Yael verliert. Schurr besucht ein Treffen von Parents Circle. Unter diesem Dach trauern seit 1998 palästinensische und israelische Familien gemeinsamen um gewaltsam verlorene Kinder, Geschwister oder Partner, berichtet Grangien.

Die 46-jährige Schurr erzählt Grangien, die immer wieder in Krisengebiete reist, von ihren Begegnungen. Demnach habe jede ähnliche Erfahrungen gemacht. „Nur die Umstände, der Ort, an dem die Person gestorben ist, sind anders“, sagt Schnurr der Fotografin, die es wiederum für die Ausstellung dokumentiert.

Schurr, Mutter von fünf Kindern, gibt auch eine gewisse verzweifelte Hoffnung zu Protokoll: Mit Blick auf die verfahrene Situation zwischen Israelis und Palästinensern befürchtet sie einen schwierigen und langwierigen Prozess. „Menschen werden weiter leiden, es wird weiter gemordet werden, bis die Leute merken, es gibt nur eine Lösung und diese Lösung ist der Frieden.“ Sie wolle nicht mehr als Jüdin oder Israeli gesehen werden: „Ich will als Mensch definiert werden.“

Grangien hat für ihr Projekt mit drei israelischen und drei palästinensischen Frauen gesprochen. So trifft sie etwa die 52-jährige Palästinenserin Bushra Awad, die im Westjordanland lebt. Ihr damals 17-jähriger Sohn wurde von israelischen Soldaten erschossen. Erst nach Jahren lässt sich Awad überreden, Parents Circle zu besuchen. Dort habe sie festgestellt: „Wir alle teilen das gleiche Leid, aber wir sind Feinde“, erzählt sie der Fotografin.

„Die Geschichten haben alle mitgenommen“, berichtet Grangien weiter. Durch den israelischen Feldzug gegen die Hamas im Gazastreifen habe ihre Arbeit ungewollt eine dramatische Aktualität bekommen. Und sie „bewundert“ die Frauen, die sich nach ihrem persönlichen Leid nun für Verständigung und Frieden einsetzen. Sie hebt auch eine Botschaft hervor, die sie von den Besuchen mitgenommen hat: „Alle sagen Nein zu Hamas.“ Und die ausufernde Siedlungspolitik der Israelis im Westjordanland werde sehr kritisch gesehen.

Grangien selbst lebt während ihrer Reise in Beit Jala im Westjordanland, einer Stadt nahe Bethlehem und Jerusalem. Bei ihren Fotostreifzügen, oftmals mit lokaler Begleitung, fühlt sie sich mehr als unsicher. „Ich war auch vor Jahren im syrischen Kriegsgebiet unterwegs, aber da habe ich nicht so viel Angst gehabt, wie im Westjordanland“, sagt sie auch von ihrer Tour nach Nablus. Die Stadt im Westjordanland ist eine Partnerstadt Nürnbergs.

Parents Circle hat heute ein Büro in Beit Jala und ein weiteres im israelischen Ramat Ef'al. Mittlerweile sind ungefähr 600 Familien in der israelisch-palästinensischen Organisation aktiv. Das erste Treffen zum gemeinsamen Trauern fand Ende der 1990er-Jahre statt. Damals waren Familien aus Gaza mit dabei, seit dem Beginn des zweiten „Intifada“-Aufstands im Jahr 2000 gibt es keinen Kontakt mehr dorthin.

Stattdessen entstand der Kontakt zu Palästinensern aus dem Westjordanland und Ostjerusalem. Deren friedlicher Botschaft will Grangien auch hierzulande ein Podium schaffen. Allerdings erfahre sie außerhalb von Nürnberg für ihre Idee einer Wanderausstellung momentan viel Ablehnung, sagt sie, weil „das Thema derzeit so brisant ist“. Dabei würden es die PCFF-Frauen wichtig finden, dass ihre Geschichten gezeigt werden.