Humanitäre Mission und rechtliche Verpflichtung

Seit 2015 hat SOS Méditerranée rund 38.500 aus Seenot im Mittelmeer gerettet. Für ihren Einsatz erhält die Organisation den Alternativen Nobelpreis.

Brüssel/Stockholm (epd). Eine der weltweit tödlichsten Fluchtrouten führt über das Mittelmeer. 28.105 Tote und Vermisste hat die Internationale Organisation für Migration (IOM) seit 2014 bis Donnerstagmorgen registriert - dem Moment, in dem die Seenotrettungsorganisation SOS Méditerranée für ihren Einsatz im Mittelmeer den Alternativen Nobelpreis erhält. Wahrscheinlich sind auch die Vermissten ertrunken, und die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Dass es nicht noch mehr sind, die die Überfahrt mit dem Leben bezahlen, ist auch der Verdienst privater Seenotretterinnen und -retter.

Seit 2015 hat SOS Méditerranée nach Angaben der Jury des Alternativen Nobelpreises rund 38.500 Menschen gerettet. Als immer mehr Menschen auf ihrer gefährlichen Flucht ertranken und die Europäische Union kaum angemessene Lösungen fand, entstanden in Frankreich, Italien, Deutschland und der Schweiz Vereine, die sich zu SOS Méditerranée mit Hauptsitz im französischen Marseille zusammenschlossen. Den deutschen Ableger rief der Kapitän Klaus Vogel gemeinsam mit Heiko Kauffmann von „Pro Asyl“ und der Politologin Corinna Krome ins Leben.

Man könne nicht tatenlos dabei zusehen, teilten Vogel und die französische Geschäftsführerin von SOS Méditerranée, Sophie Beau, mit, wie tausende Menschen im Mittelmeer sterben. „Unser Einsatz auf See entspricht dem moralischen und rechtlichen Imperativ, Leben zu retten, wann immer möglich.“

Bis Dezember 2018 betrieb die Organisation das Rettungsschiff „Aquarius“. Seit August 2019 hat SOS Méditerranée die fast 70 Meter lange „Ocean Viking“ gechartert. Die rund 24.000 Euro Betriebskosten pro Tag werden der Initiative zufolge hauptsächlich durch private Spenden finanziert. SOS Méditerranée Deutschland löste sich 2021 aus dem Verbund und benannte sich in SOS Humanity um.

Die EU-Grenze sei die tödlichste Grenze der Welt geworden, sagte Ole von Uexküll, geschäftsführender Direktor der Right Livelihood Stiftung, die den Alternativen Nobelpreis vergibt. „Wenn man bedenkt, dass die EU den Friedensnobelpreis gewonnen hat, ist das ein schreckliches Versagen der Politik.“ Die Jury hob besonders hervor, dass SOS Méditerranée sich strikt an die Regeln des internationalen Seerechts halte. So hätten die Retterinnen und Retter „unmissverständlich gezeigt, dass die Hilfe für Menschen in Seenot eine rechtliche Verpflichtung ist“.

Durch das Sammeln von Zeugenaussagen gebe die Organisation den Überlebenden außerdem eine Stimme. Damit sorge SOS Méditerranée dafür, dass die humanitäre Krise auf dem Mittelmeer weder in der Öffentlichkeit noch bei den europäischen Institutionen oder den nationalen Regierungen in Vergessenheit gerate. Die Auszeichnung werde weiter dazu beitragen, ist sich die Geschäftsführerin des Schweizer Büros von SOS Méditerranée, Caroline Abu Sa'da, sicher.