Frieden aufbauen - Das Antikriegshaus in Sievershausen bei Lehrte feiert sein 40-jähriges Bestehen

Hannover (epd). Ein eigenartiges Tor ziert den Eingang des Antikriegshauses in Sievershausen bei Lehrte. Die zwei Säulen aus Sandstein erweisen sich bei näherer Betrachtung als menschliche Figuren. Darüber legt sich ein mächtiges Dach wie aus schützenden Armen. Das "Dank-Mal" im alten Pfarrgarten des Antikriegshauses ist denjenigen gewidmet, die den Verfolgten während des Nationalsozialismus Schutz geboten haben. "Das Werk erinnert uns daran, dass es auch in schwierigen Zeiten möglich ist, sich anders zu verhalten", sagt Geschäftsführer Elvin Hülser. Zugleich ziehe es die Besucher in die Gegenwart zurück: "Auch heute gibt es Menschen auf der Flucht, die unseren Schutz brauchen". 

Seit 40 Jahren steht das Antikriegshaus für Frieden und Versöhnung. Mit Kursen, Seminaren und internationalen Begegnungen wie zweiwöchigen "Work Camps" leisten drei Haupt- und bis zu 25 Ehrenamtliche in Kooperation mit Schulen, Kirchengemeinden und anderen Organisationen Jugendarbeit. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene üben ein friedliches Zusammenleben trotz verschiedener Weltanschauungen ein oder trainieren den Umgang mit Konflikten. 

Vieles, was auf dem Papier leicht aussieht, erfordere große Stärke, sagt Hülser. Er erzählt von einer Begegnung mit dem australischen Theologen Father Michael Lapsley. Der in Südafrika tätige Anti-Apartheid-Aktivist hatte bei einem Briefbombenattentat in Südafrika beide Hände und ein Auge verloren. "Wir er damit umgegangen ist, hat mich beeindruckt und beschäftigt", sagt Hülser: "Weil er offen und ehrlich geschildert hat, wie viel Wut und Rachegefühle er anfangs hatte." 

Es habe Lapsley geholfen, mit dem Attentäter sprechen zu können. "Aber auch der Täter muss sich darauf einlassen." Auch solche Begegnungen will das Antikriegshaus ermöglichen. So kamen zum Beispiel junge Menschen aus Russland und der Ukraine zusammen, um über Frieden zu sprechen. Es ging gut.

Das Antikriegshaus ist bislang das einzige Nagelkreuz-Zentrum der hannoverschen Landeskirche. Das Haus hat im Jahr 2014 das Nagelkreuz von Coventry bekommen. Mit diesem Symbol will die im Zweiten Weltkrieg durch die deutsche Luftwaffe zerstörte britische Kathedrale die Versöhnung zwischen den Völkern stärken.

In den vier Jahrzehnten seines Bestehens war das Fachwerkhaus aus rotem Backstein in Sievershausen Zeuge großer demokratischen Veränderungen wie des Falls des Eisernen Vorhanges. Doch mittlerweile gebe es wieder Rückschritte, sagt Hülser. Das Wohlstandsversprechen, nachdem es jeder Generation bessergehen sollte als der davor, trägt nicht mehr. Die Ressourcen sind begrenzt. "Menschen zu sagen, was an die Stelle dieses Fortschrittsversprechens tritt, könnte auch eine Aufgabe der Kirche sein."

Menschen hätten verlernt, miteinander konstruktiv für ihre Ziele zu streiten. "Demokratie macht schlicht und einfach Mühe." Einfache populistische Lösungen wirkten auf einige attraktiver. Zurzeit seien Kurse zum Umgang mit Rechtsextremismus stark nachgefragt.

Der 46-Jährige aus Immensen hat sich schon als Neuntklässler im Antikriegshaus mit anderen zum Debattieren getroffen. "Jede Generation muss Demokratie neu lernen, um Frieden zu erleben", betont er. Dass die Generationen davor das taten, reiche nicht aus. "Das ist so, als würde ich als junger Mensch sagen: Meine Oma hat 1939 Abitur gemacht, ich brauche es deswegen nicht mehr."