Frieden aufbauen

Hannover (epd). Ein eigenartiges Tor ziert den Eingang des Antikriegshauses in Sievershausen bei Lehrte. Die zwei Säulen aus Sandstein erweisen sich bei näherer Betrachtung als menschliche Figuren. Darüber legt sich ein mächtiges Dach wie aus schützenden Armen. Das "Dank-Mal" im alten Pfarrgarten des Antikriegshauses ist denjenigen gewidmet, die den Verfolgten während des Nationalsozialismus Schutz geboten haben. "Das Werk erinnert uns daran, dass es auch in schwierigen Zeiten möglich ist, sich anders zu verhalten", sagt Geschäftsführer Elvin Hülser. Zugleich ziehe es die Besucher in die Gegenwart zurück: "Auch heute gibt es Menschen auf der Flucht, die unseren Schutz brauchen". Am Wochenende feierte das Zentrum mit rund 300 Gästen und Partnern sein 40-jähriges Bestehen.

1979 aus der Friedensarbeit einer evangelischen Kirchengemeinde heraus gegründet, setzt sich das Antikriegshaus bis heute für Frieden und Versöhnung ein. Mit Kursen, Seminaren und internationalen Begegnungen wie zweiwöchigen "Work Camps" leisten drei Haupt- und bis zu 25 Ehrenamtliche in Kooperation mit Schulen, Kirchengemeinden und anderen Organisationen Jugendarbeit. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene üben ein friedliches Zusammenleben trotz verschiedener Weltanschauungen ein oder trainieren den Umgang mit Konflikten. 

Vieles, was auf dem Papier leicht aussieht, erfordere große Stärke, sagt Hülser. Er erzählt von einer Begegnung mit dem australischen Theologen Father Michael Lapsley. Der in Südafrika tätige Anti-Apartheid-Aktivist hatte bei einem Briefbombenattentat in Südafrika beide Hände und ein Auge verloren. "Wir er damit umgegangen ist, hat mich beeindruckt und beschäftigt", sagt Hülser: "Weil er offen und ehrlich geschildert hat, wie viel Wut und Rachegefühle er anfangs hatte." 

Es habe Lapsley geholfen, mit dem Attentäter sprechen zu können. "Aber auch der Täter muss sich darauf einlassen." Auch solche Begegnungen will das Antikriegshaus ermöglichen. So kamen zum Beispiel junge Menschen aus Russland und der Ukraine zusammen, um über Frieden zu sprechen. Es ging gut.

Das Antikriegshaus ist bislang das einzige "Nagelkreuz-Zentrum" der hannoverschen Landeskirche. Vor fünf Jahren bekam das Haus das Nagelkreuz aus Coventry: ein Kreuz aus drei Nägeln. Mit diesem Symbol will die Kathedrale der englischen Stadt die Versöhnung zwischen den Völkern stärken. Sie war 1940 durch deutsche Bomben zerstört worden. Aus den Trümmern barg der damalige Dompropst drei große Zimmermannsnägel und ließ sie zu einem Kreuz zusammensetzen. Bis heute vergibt die Kathedrale das Symbol an andere Orte und Kirchen, die sich für Frieden und Versöhnung engagieren. Weltweit sind es inzwischen mehr als 160, in Deutschland 63.

Das Friedenszentrum sollte in seinen Anfängen die Friedensarbeit der Martinsgemeinde um Pastor Klaus Rauterberg (1930-2006) unterstützen. Eine zu diesem Zweck gegründete Stiftung bekam dafür ein Fachwerkhaus von 1735 gespendet. In zweijähriger Arbeit bauten ehrenamtliche Helfer das Haus in einem Nachbarort ab und auf dem Grundstück der Kirche wieder auf. 

Seither war das Fachwerkhaus mit rotem Backstein Zeuge großer demokratischer Veränderungen, etwa als der "Eiserne Vorhang" fiel. Doch mittlerweile gebe es wieder Rückschritte, sagt Hülser. Menschen hätten verlernt, konstruktiv für ihre Ziele zu streiten. "Demokratie macht schlicht und einfach Mühe." Einfache populistische Lösungen wirkten auf einige attraktiver. Zurzeit seien Kurse zum Umgang mit Rechtsextremismus stark nachgefragt, erläutert Hülser.

Der 46-Jährige aus Immensen hat sich schon als Neuntklässler im Antikriegshaus mit anderen zum Debattieren getroffen. "Jede Generation muss Demokratie neu lernen, um Frieden zu erleben", betont er. Dass die Generationen davor das taten, reiche nicht aus. "Das ist so, als würde ich als junger Mensch sagen: Meine Oma hat 1939 Abitur gemacht, ich brauche es deswegen nicht mehr."