Die Feinde der Taliban

Frankfurt a.M. (epd). Die Terrorgruppe „Islamischer Staat Khorasan“ (IS-K) hat sich zu den Anschlägen in der afghanischen Hauptstadt Kabul mit über 100 Toten bekannt. Die Organisation ist mit den Taliban verfeindet. Was ist über die Gruppe bekannt?

Wer verbirgt sich hinter IS-K?

Die Abkürzung IS-K bedeutet Islamischer Staat Khorasan und bezeichnet einen Ableger der Terrorgruppe „Islamischer Staat“. Der afghanische Ableger besteht aus einer Gruppe von wenigen Tausend Kämpfern, die sich 2015 gegründet hat. Damals wandten sich laut Asien-Experte Leo Wigger von der Berliner Candid-Foundation radikalisierte Mitglieder der pakistanischen Taliban von den Taliban ab.

Wo ist IS-K verortet?

Der Rückzugsort von IS-K sind Gebiete im Osten Afghanistans, die nach Aussage von Wigger selbst für afghanische Verhältnisse sehr unwirtlich und abgelegen sind. Vor allem in den Provinzen Nangarhar und Kunar im Osten und Nordosten des Landes hat IS-K seinen Operationsschwerpunkt. Diese Region sei sehr schwierig zu erreichen, sagte Wigger dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Was bedeutet der Name Khorasan?

Der Name ist ein geografischer Begriff. Er bezeichnet eine historische Region in Zentralasien, dazu gehören Teile Nordirans, Afghanistans und Turkmenistans.

Welches Verhältnis haben die Taliban zu IS-K?

Die Taliban und der afghanische Ableger des IS sind verfeindet, sagen Wigger und andere Experten. Das hat unterschiedliche politische, aber auch religiöse Gründe. Der größte Unterschied besteht in ihrer Ausrichtung. „Die Taliban verfolgen nationalistische Ziele, sie haben Vorstellungen eines islamischen Staates in Afghanistan, wirken jedoch nicht über das Land hinaus“, sagt Wigger. „Der 'Islamische Staat' hingegen hat ein Kalifat ausgerufen und vertritt einen globalen Anspruch.“ Die Taliban seien zudem stark geprägt von Clan- und Stammstrukturen, durch die sie Herrschaftsansprüche legitimieren. Der Islamische Staat ist eine dschihadistisch-islamistische Gruppierung, die den Krieg gegen alle „Ungläubigen“ ausgerufen hat.

Gibt es Verbindungen zwischen den Taliban und IS-K?

Es gebe keine direkten Verbindungen zwischen den radikal-islamistischen Taliban und dem dschihadistischen IS-K, sagt Wigger. Die Taliban haben teilweise persönliche Verknüpfungen mit der ebenfalls dschihadistischen Terrororganisation Al-Kaida, die für die Anschläge vom 11. September in den USA verantwortlich ist. Es gibt beispielweise das militant-islamistische Haqqani-Netzwerk, das den Taliban zugerechnet wird, aber laut Wigger auch Verbindungen zu Al-Kaida hat. Das Netzwerk soll seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan für die Sicherheit in der Hauptstadt Kabul zuständig sein, wie BBC und Al Dschasira berichten. Aber auch Al-Kaida ist mit IS-K verfeindet. Alle Gruppierungen konkurrierten auch untereinander um Mitglieder, so Wigger.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit für einen Bürgerkrieg zwischen den Taliban und IS-K?

Nach Einschätzung Wiggers sind Auseinandersetzungen zwischen den Taliban und IS-K wahrscheinlich, ebenso sei es aber möglich, dass es auch innerhalb der Taliban und ihren Untergruppen in Zukunft zu Konflikten komme. Die Taliban seien ein Zweckbündnis, das vor allem durch die gemeinsame Mission gegen die vom Westen installierte Regierung in Afghanistan geeint worden sei. „Inwieweit dieses Zweckbündnis in den kommenden Wochen stabil bleibt, nachdem das Ziel der Machtübernahme erreicht ist, bleibt abzuwarten“, sagte Wigger.

In den vergangenen Monaten seien zudem 8.000 bis 10.000 internationale Dschihadisten nach Afghanistan gekommen. Die meisten dieser Kämpfer hätten sich den Taliban angeschlossen, so Wigger. Sie stammten hauptsächlich aus Zentralasien, unter ihnen sind Tadschiken und Uiguren, eine muslimische Minderheit in China. Diese Dschihadisten seien ein Risikofaktor, so Wigger. Es bestehe die Chance, dass sich neue terroristische Splittergruppen bildeten.