Der Weg zum Frieden in der Heide

Hermannsburg (epd). Kurt Herrera setzt sich auf die kreuzförmig ausladende Bank und lehnt den Kopf zurück. „Das lese ich zum ersten Mal“, sagt der Lateinamerikareferent des Evangelisch-lutherischen Missionswerkes in Hermannsburg. Sein Blick richtet sich nach oben und damit auf den Schriftzug „Gerechtigkeit & Frieden“, den der Künstler Wladimir Rudolf in einen Metallbogen geschmiedet hat. Die Bank vor der Zentrale des international tätigen Werkes ist erste Station für den „Friedensort2Go“, den das Missionswerk am Freitag mit einer Online-Vernissage eröffnet.

Sechs Werke haben Rudolf und seine Frau Natalia geschaffen. Bei einem gut vier Kilometer langen Rundgang durch den Heide-Ort markieren sie die Haltepunkte. Die Künstler hätten dabei eingeplant, dass Menschen eine andere Perspektive einnehmen und Neues entdecken wie Herrera sogar vor dem eigenen Büro, sagt die Referentin für „Frieden international“ des Missionswerkes, Hannah Rose.

Begleitend können Besucherinnen und Besucher Impulse multimedial abrufen. Die Pastorin Franziska Baden aus dem Nachbarort Eschede äußert sich darin etwa über ein Zentrum von Neonazis in ihrer Gemeinde. Die brasilianische Kirchenpräsidentin Silvia Beatrice Genz schildert, wie Präsident Bolsonaro das Land in Gegner und Befürworter spaltet und sich ihre Kirche um Versöhnung bemüht. Das Missionswerk arbeitet in einem Netzwerk aus 23 evangelischen Kirchen in 19 Ländern. Da tragen die internationalen Partner ebenso zum Friedensort bei, wie Themen die in der Heide offenkundig sind.

„Es gibt hier Rüstungsindustrie, die Bundeswehr ist ein großer Arbeitgeber und die Panzer auf dem Nato-Truppenübungsplatz kann man bis hier hören“, sagt Hannah Rose. Lange bevor der Weg stand, hat sie Menschen mit einander über das Projekt ins Gespräch gebracht - von der Schülerin bis zum Mitarbeiter von Rheinmetall, als Privatmann, der ebenfalls angefragte Konzern beteiligte sich Rose zufolge nicht. Mit Geschichten aus den weltweiten Partnerkirchen rege der Friedensort zudem an, „über den eigenen Tellerrand zu blicken“, sagt Miriam Laaser, die als Leiterin der internationalen Zusammenarbeit des Missionswerkes beteiligt ist.

Was mit dem Projekt in der Heide anschaulich wird, hat seinen Ursprung in einer weltweiten Bewegung. 2013 verabschiedete die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen eine „Erklärung über den Weg des gerechten Friedens“. Der Weltkirchenrat rief damit seine 350 Mitgliedskirchen dazu auf, sich im Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und eine Bewahrung der Schöpfung zu beteiligen.

„Die hannoversche Landeskirche wollte das nicht nur in Worte fassen“, sagt die Referentin für Friedensarbeit in der Landeskirche, Lisa Gellert. So beschloss das Kirchenparlament der größten evangelischen Kirche in Deutschland, ausgewählte Projekte als „Friedensorte“ zu fördern. Eine Million Euro hat es für die kommenden zwei Jahre in der bereits zweiten Förderperiode für derzeit insgesamt acht „Friedensorte“ bewilligt. Hermannsburg ist dabei das jüngste Projekt.

Dort gehört auch noch ein internationales Camp für Jugendliche zum Konzept, dass wegen der Pandemie im Sommer jedoch online stattfinden muss. Auf die Resonanz zum Friedensort sei das Missionswerk gespannt, sagt Sprecherin Anette Makus. Auch der Tourismusverband habe Interesse bekundet. „Pilgern und sich auf den Weg machen ist im Trend.“ Für Kinder und Jugendliche laden die Stationen zudem zum Mitmachen ein. So heißt es auf einem Wegweiser: „Sammle für jedes trennende Erlebnis ein Steinchen (oder Blatt oder Holzstöckchen) auf dem Weg zur nächsten Station. Was könnte die Situation wieder heilen?“

Hintergrund:

Die hannoversche Landeskirche hat bisher acht „Friedensorte“ ausgewählt. Bis 2024 will sie diese Projekte unter anderem von Bildungsstätten und Kirchengemeinden mit einer weiteren Million Euro fördern. Seit Mitte 2018 hatte die Kirche bereits insgesamt 1,2 Millionen Euro für die jeweiligen Projekte bewilligt.

Zu den „Friedensorten“ gehören Bildungsstätten wie das Antikriegshaus Sievershausen bei Hannover und das „Anne-Frank-Haus“ in Oldau bei Celle, die einen Schwerpunkt in der Friedenspädagogik haben.

Auch Orte mit historischem Bezug wurden für die Förderung ausgewählt. Zu ihnen zählt die Gedenkstätte Lager Sandbostel bei Rotenburg/Wümme, die am Ort eines ehemaligen Kriegsgefangenen- und KZ-Auffanglagers Erinnerungs- und Bildungsarbeit leistet. Auch die 1961 von Flüchtlingen nach dem Zweiten Weltkrieg errichtete Gnadenkirche Tidofeld im ostfriesischen Norden ist ein Friedensort. Seit 2013 dokumentiert sie das Schicksal von Flüchtlingen.

Andere Orte nehmen Frieden und Gerechtigkeit weltweit in den Blick, wie das rund um das „Weltcafé“ in Hildesheim angesiedelte Projekt oder der neue „Friedensweg2GO“ in Hermannsburg. Der vom Evangelisch-lutherischen Missionswerk in Niedersachsen initiierte Weg wirft an sechs Stationen auch einen Blick auf Partnerkirchen des international tätigen Werkes. Hinzu kommen als weitere Friedensorte die Woltersburger Mühle in Uelzen und ein Projekt in der Friedensstadt Osnabrück.