"Ärzte ohne Grenzen"-Chef prangert brutale Angriffe auf Helfer an

Genf (epd). Der Präsident von „Ärzte ohne Grenzen“, Christos Christou, prangert zunehmend grausame Angriffe auf Helfer und Gesundheitseinrichtungen in Kriegsgebieten an. „Was wir in bewaffneten Konflikten erleben, ist extrem schockierend“, sagte Christou dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Genf anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Hilfsorganisation.

Er beklagte zudem, dass die Angreifer in der Regel nicht bestraft würden. „Die Verbrecher kommen ungeschoren davon, das ist leider ein Trend“, sagte der Präsident des Hilfswerkes. So seien im Juni dieses Jahres in der umkämpften Region Tigray in Äthiopien drei Mitarbeiter seiner Organisation auf „erschreckend brutale Weise getötet worden“. Bis heute seien die Täter nicht gefasst. Vergeblich habe „Ärzte ohne Grenzen“ von der Regierung in Addis Abeba eine unabhängige Untersuchung verlangt.

Als weitere Beispiele nannte der griechische Chirurg Christou zwei Attacken in Afghanistan. Im Mai 2020 stürmte eine bewaffnete Gruppe die Entbindungsstation eines Krankenhauses von „Ärzte ohne Grenzen“ in Kabul. 16 Mütter und eine Hebamme seien getötet worden. „So ein Verbrechen ist unfassbar“, erklärte der Chef der Hilfsorganisation. Auch in diesem Fall seien die Täter bis heute nicht zur Rechenschaft gezogen worden.

Wegen des Angriffs der US-Streitkräfte auf ein „'Ärzte ohne Grenzen“-Krankenhaus in Kundus im Jahr 2015 habe seine Organisation eine unabhängige, neutrale Untersuchung verlangt, fügte Christou hinzu. „Wir haben keine ausreichenden und klaren Antworten von den USA erhalten.“ Die US-Streitkräfte bezeichneten den Angriff, bei dem mehr als 40 Patienten und Mitarbeiter der Organisation auf grausamer Weise starben, als Unfall.

„Wir mussten nach diesen Angriffen, demjenigen in Äthiopien und den beiden in Afghanistan, unsere Hilfsoperationen in den jeweiligen Gebieten aussetzen“, erläuterte Christou, der seit 2019 „Internationaler Präsident“ von „Ärzte ohne Grenzen“ ist. „Es geht leider nicht nur um die grausamen Attacken als solche, sondern auch um die Konsequenzen“, fuhr er fort. „Viele sehr hilfsbedürftige, kranke und verwundete Menschen sind dann von medizinischer Hilfe abgeschnitten, wir können ihn nicht beistehen.“ Die Wiederaufnahme des medizinischen Betriebs nach einer vorübergehenden Schließung berge immer ein hohes Risiko. „Wir wissen natürlich nicht, wann der nächste Angriff kommt“, sagte Christou. „Das macht unsere Arbeit gefährlich.“